Bereits in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte man die Bedeutung der Aerodynamik für den Kraftfahrzeugbau erkannt. Zu den bekanntesten Beispielen mit stromlinienförmigen Karosserien gehören der Rumpler Tropfenwagen sowie die stromlinienverkleideten Renn- und Rekordwagen von Mercedes Benz und der Auto Union. Einer der Pioniere und Vordenker dieses Forschungsbereiches war Freiherr Reinhard Koenig-Fachsenfeld. Neben verschiedenen Entwürfen für Automobile hatte sich Fachsenfeld bereits 1937 mit zweirädrigen Stromlinienfahrzeugen auseinandergesetzt, doch war die für DKW konstruierte Variante nicht zu steuern. Der aus diesen Erfahrungen 1938 entwickelte Tiefsitzer, der aufgrund der sitzende Position des Fahrers wesentlich niedriger ausfiel, konnte wegen des Zweiten Weltkrieges nicht mehr realisiert werden.
Wilhelm Herz, der sich schon für den Wiederaufbau der 350er NSU Vorkriegs-Kompressormaschine engagiert hatte, gelang es
1948 die Cheftechniker von NSU von seinen Rekordplänen mit der Fachsenfeld’schen Konstruktion zu überzeugen. Im Frühjahr 1949 hatte NSU die Verkleidung fertig gestellt, doch bremste der Unfall Herz in Köln die weiteren Arbeiten an einem geeigneten Aggregat. Da kein anderer NSU Fahrer die „Rekordzigarre“ mit der lehnstuhlartigen Sitzposition fahren wollte, teilte Dr. Froede Ende 1950 Fachsenfeld die Einstellung des Projektes mit. Die Zeit war für das revolutionäre Fachsenfeld’sche Konzept noch nicht reif.
Die Rekordpläne hatte man in Neckarsulm trotzdem nicht zu den Akten gelegt. Am 12. April 1951 starteten NSU Maschinen zum ersten Mal nach dem Krieg zu Geschwindigkeits-Rekordfahrten auf der Autobahn München-Ingolstadt. Wilhelm Herz übertraf auf dem Delphin I, einer verkleideten NSU Kompressormaschine mit 500 ccm, den 14 Jahre alten, von Ernst Henne 1937 auf BMW aufgestellten Weltrekord (279,5 km/h) um 10,5 km/h. Am 25./26. Oktober stellte Hermann Böhm in der
Seitenwagenklasse mit 248 km/h ebenfalls einen neuen, absoluten Rekord auf. Alles in allem wurden im April und Oktober 1951 acht neue Geschwindigkeitsweltrekorde auf NSU erzielt.
Im selben Jahr trat der Graphiker Gustav Adolf Baumm erstmals mit NSU in Kontakt, um die Idee für sein Rekordfahrzeugprojekt vorzustellen, das mit der auf dem Rücken liegenden Position des Fahrers weit über das Fachsenfeld’schen Konzept hinausging. Nachdem er Entwicklungsleiter Dr. Froede mit einem umgebauten Bügelbrett von der Steuerbarkeit eines solchen Fahrzeugs überzeugt hatte, konnte er mit materieller und finanzieller Unterstützung seitens NSU rechnen. Mit der erfolgreichen Präsentation seines ersten „Baumm‘schen Liegestuhls“ erhielt Baumm 1952 einen festen Vertrag und entwickelte zusammen mit der NSU Forschungsabteilung den Baumm I und II. Mit diesem Fahrzeug, einem verbesserten 50 ccm NSU Quickly-Zweitaktmotor und einem optimierten 100
ccm NSU Fox-Viertaktmotor brach er als Konstrukteur und Fahrer 1954 insgesamt elf bestehende Weltrekorde in den Klassen von 50 ccm bis 175 ccm.
Anfang Mai 1955 holte sich Baumm mit einem verbesserten Quickly-Motor (50 ccm) und einem Rennfox-Motor (125 ccm) erneut 22 Geschwindigkeitsweltrekorde. Als er 29. Mai schließlich auch noch die Rundstreckentauglichkeit seiner Fahrzeuge auf dem Nürburgring demonstrieren wollte, verunglückte Gustav Adolf Baumm tödlich.
1956 geht NSU ein letztes Mal auf Rekordjagd. Das erste Projekt war ein Sparsamkeitsrekord mit einem verkürzten „Liegestuhl“ und einem 125 ccm Superfox-Motor. H. P. Müller brauchte im Baumm III am 29. Mai durchschnittlich nur 1,13 l/100 km (bei über 500 km Gesamtstrecke), während die zum Vergleich mitfahrende Serien-Superfox 3,22 l/100 km schluckte.
Das zweite Projekt führte NSU im Juli 1956 auf die Salt Flats in Bonneville, Utah/USA, die hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit und der Windverhältnisse ideale Bedingungen für die erneuten Rekordversuche boten. H. P. Müller trat mit dem Baumm II und drei verschiedenen Motoren (50 ccm Zweitaktmotor mit Kreiskolbenkompressor, 100 ccm und 125 ccm Rennfox-Motor) in den Klassen von 50 ccm bis 175 ccm an. Wilhelm Herz ging mit dem neuen Baumm IV und der Delphin III und 3 Aggregaten (250 ccm Rennmax-Motor, 350 ccm und 500 ccm Zweizylinder-Kompressormotor) in den Klassen von 250 ccm bis 1.000 ccm an den Start. Mit dem Baumm II verbesserte Müller alle Geschwindigkeitsrekorde bis zur 175er Klasse und konnte sogar die Rekorde der 250 ccm Klasse für sich in Anspruche nehmen, da Herz nach einem glimpflich abgegangenen Sturz den Baumm IV mit Rennmax-Motor nicht mehr fuhr. Die Spitzenleistungen waren 196 km/h aus 50 ccm und 242 km/h aus 125 ccm.
Herz hingegen sicherte NSU mit den beiden Kompressormotoren im Delphin III alle Rekorde in den Klassen von 350 ccm bis 1.000 ccm, darunter auch den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder mit 339 km/h. Damit war NSU 1956 im Besitz aller für Zweiradfahrzeuge möglichen Weltrekorde.
Die aerodynamischen Erkenntnisse aus dem Jahr 1951 kamen bei NSU auch dem Rennsport zu Gute. Nachdem man in den Jahren 1952 und 1953 die Rennmaschinen vom Typ Rennfox und Rennmax hinsichtlich der Motorleistung, des Gewichts, der Bremsen und des Fahrwerks von Saison zu Saison verbessert hatte, konnte man höhere Geschwindigkeiten einzig durch aerodynamische Hilfsmittel erreichen. Die Konkurrenten von Moto Guzzi und MV Agusta besaßen bereits Verkleidungen und kamen damit immer näher an die Zeiten der NSU Maschinen heran.
Um den Vorsprung zu halten und auch 1954 wiederum in der Weltmeisterschaft erfolgreich zu sein, experimentierte die NSU Rennabteilung mit vielen unterschiedlichen Verkleidungen. Bei Testfahrten auf dem nahegelegenen Hockenheimring wurden am 15. Juli 1954 Geschwindigkeitsmessungen mit unterschiedlichen Verkleidungen vorgenommen. Testfahrer war der erprobte Hans Baltisberger auf einer Rennfox mit der Rahmennummer R115401. Die Witterung war trocken und bewölkt, die Streckenlänge betrug 7,725 km und die Uhrzeit lag zwischen 18.00 und 20.30 Uhr. Mit jeder Verkleidung wurde eine Runde in west-östlicher und eine in ost-westlicher Richtung gefahren, um eventuell begünstigende Strömungen auszugleichen. Dabei ergab sich folgendes Durchschnittsergebnis:
Verkleidung Typ Delphin (Ausführung wie in England): 161,5 km/h Verkleidung Typ Assen (Zwischenlösung wie in Holland):
169,5 km/h Verkleidung Typ Blauwal (Ausführung wie auf der Solitude): 176,3 km/h
Um die Walverkleidung fertig zu bekommen, hatte man sogar auf den Meisterschaftslauf auf dem Feldberg 1954 verzichtet. Doch bei der Erprobung der Vollverkleidungen traten Probleme mit zu hoher Öltemperatur auf. Zudem erforderten die Walverkleidungen eine psychologische Umstellung der Fahrer, denn geschützt durch die Kanzel konnten sie weder das Rauschen noch den Druck der Geschwindigkeit wahrnehmen und gerieten dabei in Gefahr, die Geschwindigkeit zu unterschätzen. Auf einmal stimmten die alten Bremspunkte nicht mehr und die Fahrer mussten sie zwangsläufig vorverlegen. Vielleicht war das - neben Seitenwind oder zu großer Schräglage - der Grund dafür, dass der erfahrene Baltisberger auf der Solitude mit der Blauwal stürzte. Dennoch ist unbestritten, dass bei gleichbleibender Motorleistung die Endgeschwindigkeiten beachtlich gesteigert werden konnten und dass die Verkleidungen bei Nässe einen willkommenen Schutz boten.
Nach dem Rennen in Bern probierte man eine weitere aerodynamische Korrektur aus, denn NSU wollte vor dem letzten Rennen der Saison 1954 in Monza fehlende Motorleistung durch eine gelungene Stromlinienverkleidung ersetzen. Man experimentierte mit einer Heckverkleidung, konnte jedoch nur einen Geschwindigkeitszuwachs von 3 bis 5 km/h auf der langen Geraden erreichen. Am Ende dieser Versuchsreihe entschied man sich dafür, in Monza mit drei unterschiedlichen Heckverkleidungen anzutreten, welche die Maschinen allerdings ziemlich instabil machten. Aufgrund des tragischen Unfalls von Rupert Hollaus im Training zog NSU alle Nennungen für Monza zurück, so dass diese Varianten im Rennbetrieb gar nicht mehr zum Einsatz kamen.